Mein Krebs - Morbus Hodgkin

Wie alles anfing...

Es war ungefähr vor 1,5 Jahren, also Anfang 2013, als ich am Schlüsselbein einen kleinen Knoten fühlte. Zuerst dachte ich mir nicht groß etwas dabei: "Vermutlich ein Lymphknoten, der bald wieder weg ist". Als sich noch ein paar weitere Knötchen dazugesellten und ich mich mal im Internet schlau machte, was das wohl sein könnte, kam ich zu dem Schluss, dass ich vermutlich eine dicke Erkältung ausbrüte und sich danach alles wieder normalisieren würde. Und tatsächlich hatte ich in der nächsten Zeit zwei bis drei kleinere Erkältungen, die aber jeweils nur zwei Tage anhielten. Natürlich bin ich bei meinen Recherchen auch auf das Stichwort "Krebs" gestoßen, aber würde ich bei jedem kleinen Jucken oder Auschlag der Internetdiagnose glauben, hätte ich vermutlich schon jede Art von Krebs gehabt...

 

Ein knappes Jahr ging ins Land und meine Lymphis wurden mehr. Die meisten waren recht klein und ließen sich leicht verschieben. Ansonsten hatte ich keine Symptome.

Ungefähr im Januar 2014 entwickelte sich dann ein Lymphknoten direkt unter meinem rechten Ohr, den man auch sehr gut sehen konnte. Wieder fragte ich das Internet und ich entschied wieder, dass es wohl auch irgendwie mit einer anstehenden Erkältung zu tun hätte. "Bloß nicht an was Schlimmes denken!"

In den nächsten Wochen begann sich dann aber ein sehr großer Knoten vorne am Hals zu bilden. Er wurde immer größer und man konnte ihn deutlich sehen. Auch zwischen den beiden Knoten an Hals und Ohr hatten sich viele Lymphis entwickelt, ebenso auf der linken Seite des Hales und unter den Achseln. Leider habe ich keine Bilder, auf denen man meinen dicken Hals und die Knoten gut sehen kann, da ich sie mit meinen Haaren so gut es ging versteckt habe. Auf folgendem Bild sieht man durch die Biopsie-Narbe, wo der Knoten genau saß.

 

 

Jetzt machte ich mir wirklich Sorgen. Zudem hatte ich auch das Gefühl, nachts zu schwitzen - ein Symptom der Krebserkrankung. Allerdings schwitzte ich nicht so stark, wie im Internet beschrieben. Eigentlich wollte ich nun auf jeden Fall zum Arzt gehen! Jedoch stand im März mein Traumurlaub in Neuseeland mit meinem Freund an, den ich auf keinen Fall canceln wollte. Also entschied ich, nach der Reise einen Termin zu machen.

Ende April besuchte ich meine Hausärztin, die mich nach Abtasten meines Halses nach den üblichen Krebssymptomen, die ich aus dem Internet ja bereits kannte, fragte. Bis auf den leichten Nachtschweiß und einen Reizhusten, der sich auf dem Rückflug aus Neuseeland bemerkbar machte, gab es da nicht viel zu erzählen. Meine Ärztin wollte mich aber trotzdem schnell zur Biopsie eines Lymphknotens ins Krankenhaus schicken, um Krebs auszuschließen. Sie machte noch einen ersten Ultraschall des Bauch- und Lendenbreichs, wo sie nichts entdeckte.

 

Die Diagnose

Am 02.05.2014 wurde mir dann der große Lymphknoten am Hals unter Vollnarkose entnommen. Ich blieb wegen der Drainage drei Tage im KH und bekam am Ende der Woche (nach ewigem "Drum-Herum-Gerede" des Arztes in den Tagen zuvor, welches mir stetig Hoffnung auf etwas Harmloses machte!) per Telefon die Diagnose Morbus Hodgkin - Lymphknotenkrebs.

 

Noch während ich mit dem Arzt am Telefon sprach, nickte ich meinem Freund zu, um ihm zu signalisieren, dass es Krebs war. Wir hatten natürlich schon vorher über diese Möglichkeit gesprochen, aber man hat eben bis zum Schluss Hoffnung und verdrängt den Rest...

Ich legte auf und brach in Tränen aus. Gar nicht einmal weil ich nun Krebs hatte, sondern vielmehr, weil ich es nun meiner Familie beibringen musste. Sicherlich spielte auch unterbewusst die Angst vor der kommenden Zeit mit hinein. Und die Zeit vor Therapiebeginn war auch mit Abstand das Schlimmste!

 

Angefangen bei den Reaktionen in meiner Familie und im Freundeskreis. Etwas Schlimmeres als die Tränen und die Hilflosigkeit eines geliebten Menschen zu sehen und nichts dagegen tun zu können, gibt es wirklich nicht! Ich muss ihnen hier aber auch ein ganz großes Lob und meinen Respekt aussprechen, wie schnell sie sich wieder gefangen haben und mich bei allem großartig unterstützten! Ihr seid unglaublich!!!

 

Nach der Diagnose / Voruntersuchungen

Es folgten unzählige Arztbesuche mit Aufklärungen und Untersuchungen: Ultraschall, CT, EKG, Lungen- und Herzfunktionstest, HNO, Gynäkologie, Knochenmarkpunktion, Röntgen, Portimplantation. Zu den einzelnen Untersuchungen und was dabei passiert gibt es eine Extra-Seite "Voruntersuchungen".

Nach meinem ersten Besuch in der wirklich sehr guten onkologischen Schwerpunktpraxis, an die mich meine Hausärztin überwiesen hatte, wusste ich, dass ich sehr gute Heilungschancen hatte. 96 % (Stand 2014). Nach den restlichen Voruntersuchungen, auch Staging genannt, wurde ich in Stadium 2b mit Risikofaktor Blutarmut eingruppiert. Das war gar nicht so schlecht! :)

Insgesamt gibt es vier Stadien, 1 und 2 sind frühe Stadien, bei denen nur ein bzw. zwei Lymphknotenbereiche oberhalb des Zwerchfells betroffen sind. "b" bedeutet, dass ich sogenannte Beta-Symptome hatte, bei mir der Nachtschweiß, Reizhusten und inzwischen hatte sich auch leichtes Fieber am Abend dazugesellt.

Die Chemotherapie

Am 10.06.2014, also einen Monat nach der Diagnose und genau fünf Tage nach meinem 26. Geburtstag, begann die Chemotherapie. Endlich!! Ich wollte nun wirklich nicht noch länger warten! Ich entschied an der HD17-Studie der Deutschen Hodgkin Studiengruppe teilzunehmen, welche die Chemotherapie stetig verbessert und für die Forschung immer wieder Blut der Patienten etc. benötigt. Ich sollte vier Zyklen Chemo bekommen. Das dauert insgesamt ungefähr vier Monate. Mehr dazu und wie meine Chemo genau ablief findet Ihr unter "Meine Chemotherapie".

Das alles lief, Gott sei Dank, ambulant ab und ich konnte nach jeder Infusion nach Hause.

 

Die Bestrahlung Nach der Chemo wurde ein PET-Scan durchgeführt (ähnlich wie ein CT), welches zeigte, dass noch Restaktivität in einigen Knoten vorhanden und somit Bestrahlung nötig war. Die Bestrahlung dauerte ca. 3 Wochen, in denen ich jeden Tag ins Krankenhaus musste, um mich dort ca. 15 Minuten bestrahlen zu lassen. Aber von vorn:

Zuerst gabe es ein Vorgespräch zur Strahlentherapie. Nachdem mein Freund und ich über eine Stunde warten mussten, wurde mir endlich erklärt, wie die Bestrahlung genau ablaufen würde. Danach musste ich nochmal eine halbe Stunde warten, weil direkt im Anschluss eine Maske für mich angefertigt werden musste. Ihr müsst euch das Ding wie folgt vorstellen: Eine Art Plastik-Material wird in heißem Wasser weich gemacht und dann auf das Gesicht bis über die Schultern gelegt. Dann wird das Teil langsam fest und man kann sich keinen Millimeter mehr bewegen. Auch wenn die Maske kleine Löcher hat, ist das absolut nichts für Leute mit Platzangst. (Googelt einfach mal Strahlentherapie und Maske, wenn euch interessiert, wie die Dinger aussehen.)

Bei mir war die Maske wichtig, damit ich mich während der Bestrahlung nicht bewegen konnte und die Strahlen so die einzelnen Punkte ganz genau treffen konnten.

Leider startete meine Therapie erst im November, da ich "ein komplizierter Fall" war... Das heißt, die Berechnung der Strahlen dauerte ziemlich lange, da so wenig wie möglich gesundes Gewebe durch die Strahlen belastet werden sollte.

Der erste Bestrahlungestermin dauerte dann sehr lange, weil verschiedene Einstellungen gemacht werden mussten. Als ich dann endlich wieder raus durfte, sah ich erst mal aus wie ein Reptil, mit hübschem Muster auf Gesicht und Schultern. (Natürlich durch die Löcher in der Maske verursacht, nicht durch die Strahlen ;)) Die "normalen" Termine sahen wie folgt aus: Die Bestrahlungsmaschine fuhr ein paar Mal um mich herum, machte komische Geräusche und bliebt ab und zu stehen. Dabei tat nichts weh und man spürte auch sonst nichts.

 

Die Nebenwirkungen und mein Gefühlsleben

Während der ersten beiden Wochen der Chemo war der Verlust meiner Haare das Schlimmste... Ich weiß, wen jucken die Haare, wenn man doch einfach nur gesund werden will. Aber meine Haare waren bei Beginn der Therapie so lang, wie nie zuvor und ich liebte sie! Ich liebte das Haarewaschen, Fönen, Stylen... Einfach alles! Ich hatte Hoffnung, das meine Haare durch ein Wunder nicht ausfallen würden, doch als ich nach knapp zwei Wochen immer mehr Büschel in den Händen hielt, entschied ich mich, sie loszuwerden. Mein Freund rasierte sie mir erstmal auf 6 mm, damit sie mich nicht dauernd daran erinnerten "Wir fallen alle aus!!" und damit ich mich an meinen neuen Kopf gewöhnen konnte. Eine Woche später rasierte sie mein Papa so kurz es mit seiner Maschine ging, ca. 1 mm. Und langsam aber sicher wurde mein Kopf immer lichter. Ein paar kleine Härchen hielten sich zwar wacker, aber der Großteil war weg.

 

 

Da ich ja wusste, was auf mich zukommt, habe ich mir vorab ein paar Perücken im Internet bestellt und mir später, auf Rezept des Arztes, eine Perücke beim Friseur anfertigen lassen. Außerdem habe ich mir natürlich viele Mützen und Tücher besorgt (Links zu den Shops und zu meinem tollen Perücken-Friseur gibts unter "Tipps und Hilfreiches"). Ich muss sagen, mit meinen Perücken komme ich ganz gut klar und gehe damit auch gerne unter Leute. Man muss sich zwar an das Gefühl, sie zu tragen, gewöhnen und je nach Qualität jucken sie auch irgendwann, aber es ist erträglich. Nur während meiner vielen Hitzewallungen, bedingt durch meine künstliche Menopause... oder das Cortison... oder die Chemo selbst ;), stört alles auf dem Kopf!

 

 

Mit Übelkeit bin ich fast komplett verschont geblieben. Am Tag der ersten Chemo war mir zwar ziemich schlecht, das lag aber daran, dass die Anti-Kotz-Tabletten in der Apotheke erst bestellt werden mussten und ich sie erst abends hatte. Übergeben musste ich mich zum Glück nicht und seit ich meine Tabletten habe, die ich übrigens nur an den Chemotagen nehme, habe ich höchstens mal ein flaues Gefühl im Magen.

 

Die Nebenwirkungen der Bestrahlung waren Mundtrockenheit, Halsschmerzen/Schluckbeschwerden, extrem trockene Haut und der Verlust meinens Geschmackssinns!

 

Was ich noch alles habe/hatte:

-Innere Unruhe mit leichten Schlafstörungen durch das Cortison und meine Hitzewallungen.

-Heißhunger und einen untstillbaren Appetit (auch durch Cortison). Zum Glück nehme ich nicht zu, obwohl ich gerade wirklich viiiel esse ;)

-Ein paar Tage lang nach den Chemo-Infusionen einen chemischen Geschmack im Mund.

-Relativ trockene Haut und Schleimhäute (immer schön feuchtes Toilettenpapier benutzen!!)

-Blässe, leichte Kreislaufprobleme und erhöhte Infektionsgefahr, wenn meine Leukozyten (weiße Blutkörperchen) nach der Chemo mal wieder abgestürzt sind

-"Knochenschmerzen", wenn ich mich selbst spritzen muss zum Aufbau der Leukos

-Ziemlich schnelles "Kaputt-sein" wenn ich mich anstrenge. An Sport ist leider nicht zu denken :(

 

Im Großen und Ganzen also Peanuts! :)

 

Viele Tipps zur Chemo und Seiten/Videos/Blogs, die mir geholfen haben findet Ihr unter "Tipps und Hilfreiches".

 

Ich bin wirklich so froh, dass ich die Chemo gut vertrage und eigentlich alles machen kann, wozu ich Lust habe.

Und ich bin unglaublich dankbar für alle, die mich irgendwie unterstützen. Und wenn's nur eine Nachricht über Facebook, eine kurze "Wie geht's Dir?"-SMS oder ein Gebet ist. Ich freue mich wahnsinnig darüber und könnte jedes Mal in Tränen ausbrechen, wenn ich merke, was für eine tolle Familie und tolle Freunde ich habe! Ich danke Euch!

 

Was ich unbedingt noch loswerden will

Die ganze Sache hat durchaus auch positive Seiten! Haarewaschen, Beine und Achseln Rasieren und die Periode fallen erstmal weg ;)

Spaß bei Seite, das Wichtigeste und Tollste an der Situation ist mein neues Lebensgefühl, dass ich nur allen ans Herz legen kann, auch wenn Ihr bisher von einer schlimmen Krankheit verschont geblieben seid. Seid einfach dankbar für Euer Leben, die lieben Menschen um Euch herum, versucht jeden Tag zu genießen und seid glücklich! Am Besten Ihr klebt Euch was an den Kühlschrank, dass Euch immer daran erinnert, wie unglaublich wertvoll und schön Euer Leben ist.

 

Und voller kleiner Wunder...